Kissing Spines bei Pferden: Macht reiten krank?

Immer häufiger hören Reiter und Besitzer die Diagnose Kissing Spines bei Pferden. Um die Krankheit kursieren viele Gerüchte – unter anderem, dass sie durch eine falsche Reitweise verursacht wird. Was wirklich dran ist, was sich hinter dem thorakolumbal interspinalen Syndrom verbirgt und wie es behandelt werden kann? Das und mehr lesen Sie hier!

Definition: Was verbirgt sich hinter Kissing Spines?

Der Begriff Kissing Spines stammt aus dem Englischen und kann als sich küssende Dornfortsätze übersetzt werden. Dahinter verbirgt sich eine Krankheit mit dem wissenschaftlichen Namen thorakolumbal interspinales Syndrom (kurz: TLI-Syndrom). Es handelt sich um eine Verformung der Wirbelsäule beim Pferd im Bereich des 10. Brustwirbels bis hin zum 4. Lendenwirbel.

Konkret bedeutet das: Die Dornfortsätze nähern sich über die Zeit an, berühren oder überlappen sich gar. Dadurch entsteht Reibung zwischen den Wirbelenden, welche wiederum Schmerzen beim Pferd zur Folge hat. Bleibt die Krankheit unbehandelt, können Entzündungen, Zysten und Verknöcherungen des Bereichs entstehen.

Ursachen: Was führt zu Kissing Spines beim Pferd?

Eins vorweg: Fehlerhaftes Reiten ist nur eine der möglichen Ursachen für Kissing Spines beim Pferd. Das betrifft vor allem die jungen Jahre eines Tieres. Denn in dieser Zeit bilden sich Muskulatur und Knochen noch aus. Schreitet die Ausbildung allerdings zu schnell voran, wird vom Pferd zu rasch zu viel verlangt, können eben diese darunter leiden. Die Folge ist meist ein Senkrücken, welcher wiederum das TLI-Syndrom begünstigt.

Eine Ursache haben wir damit schon erwähnt. Jedoch können auch genetische Faktoren eine Rolle spielen. So neigen einige Rassen von Natur aus eher zu einem solchen Senkrücken. Hier sollten Sie beim Reiten besonders vorsichtig sein. Eine gute Bemuskelung in diesem Bereich ist das A und O, damit das Tier das Gewicht auch tragen kann.

Zudem können Traumata Kissing Spines bei Pferden verursachen. Im Konkreten sprechen wir hier von Muskel-, Bänder- und Sehnenschäden am Rücken, welche zum Beispiel bei einem Sturz oder Überschlag entstehen können. Auch anhaltende Verspannungen im Bereich der Wirbelsäule können Verformungen dieser Art hervorrufen und entsprechende Folgen haben.

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Symptome: Wie erkennen Sie die küssenden Dornfortsätze?

Das Problem mit den Kissing Spines bei Pferden ist das gleiche wie bei vielen anderen Erkrankungen: Die Tiere neigen dazu still zu leiden. Viele anfängliche Symptome sind unspezifisch und werden zudem von Ausbildern und Reitern als Unartigkeiten und Verweigerungen gewertet und nicht näher betrachtet. Wir wollen Ihnen darum hier einmal eine Übersicht der möglichen Anzeichen geben:

  • Beim Bewegen: generelle Unlust, Taktfehler, Steifheit und Schwunglosigkeit, Rittigkeitsprobleme, Verweigerungen (v.a. beim Springen und Rückwärtsrichten), Entlastung der Hinterhand bis hin zu Lahmheit, Balanceschwierigkeiten an der Longe
  • Beim Abtasten: Empfindlichkeit am Rücken (Zucken, Abwehren), Sattel-/Gurtzwang
  • Muskulatur: Geringe Bemuskelung im Rücken, Schweif wird schief getragen, keine Dehnung in der Tiefe möglich
  • Verhalten: abwehrend (bis hin zum Beißen und Treten), wegrennen

Pferd zeigt deutlich Rittigkeitsprobleme

Pferd zeigt deutlich Rittigkeitsprobleme durch bocken

Stellen Sie mehrere diese Symptome fest, wird es Zeit, den Tierarzt zu kontaktieren. Am besten teilen Sie diesem gleich Ihren Verdacht mit, damit er einschlägige Untersuchungen vornehmen kann – wie diese aussehen, betrachten wir gleich. Zudem kann er auch andere Erkrankungen ausschließen und dann mit Ihnen gemeinsam eine sinnvolle Therapie ausarbeiten.

Übrigens: Stehen Sie erst noch vor dem Kauf eines Pferdes, gilt es einige wichtige Faktoren zu beachten. So wird vermutet, dass Kissing Spines vererblich ist – fragen Sie also unbedingt nach Vorerkrankungen bei den Elterntieren. Außerdem sollen die Vorbesitzer Ihnen Auskunft über Unfälle geben. Auch hier können Sie den Veterinär hinzuziehen, falls Sie die Erkrankung völlig ausschließen wollen.

Diagnose: Wie wird das TLI-Syndrom festgestellt?

Haben Sie den Tierarzt kommen lassen, wird dieser in der Regel mehrere Untersuchungen durchführen. Das Ganze beginnt meist mit dem Abtasten der Rückenmuskulatur. Hier geht es vor allem darum, schmerzhafte Bereiche zu erfühlen und mögliche Erhabenheiten der Dornfortsätze zu spüren. Anschließend sollte das Tier auch in der Bewegung betrachtet werden, um andere Schmerzsymptome festzustellen.

Abtasten der Rückenmuskulatur um schmerzhafte Bereiche zu erfühlen.

Abtasten der Rückenmuskulatur des Pferdes

Besteht der Verdacht auf Kissing Spines beim Pferd, wird Ihr Veterinär höchstwahrscheinlich röntgen und ggf. einen Ultraschall durchführen. Dabei kann er genau erkennen, wie die Dornfortsätze liegen und ob hierbei Reibungen entstehen. Er wird anschließend drei Grade unterscheiden, wobei diese nicht zwingend mit den Symptomen korrelieren. Diese Stadien sind:

Grad I- Zwischenräume von mind. 2 Dornfortsätzen sind verengt
- Verhärtung der Corticalisränder gering

Grad II- Mind. 2 Dornfortsätze berühren sich
- Sklerosierung der Corticalisränder mittelgradig

Grad III- Mind. 2 Dornfortsätze überlappen sich
- Sklerosierung der Corticalisränder deutlich
- Osteolytische Zonen (z.B. Knochenzysten) erkennbar

Übrigens: Wir haben zuvor schon die Ursachen von Kissing Spines betrachtet. Darunter fallen auch anhaltende Verspannungen. Um diese festzustellen, kann der Tierarzt neben dem Abtasten eine Blutuntersuchung einleiten. Ist eine Übersäuerung erkennbar, bedeutet das meist, dass in diesem Bereich eine Erkrankung vorliegt.

Behandlung: Was tun nach der Diagnose?

Je nach Grad der Erkrankung und dem Schmerzempfinden Ihres Pferdes kommen unterschiedliche Behandlungsformen infrage. Sprechen Sie den Plan am besten mit Ihrem Veterinär ab. In jedem Fall sollte allerdings eine Physiotherapie im Vordergrund stehen.

Medikamentöse Behandlung

Kissing Spines sorgen beim Pferd für Schmerzen, durch welche es versuchen wird, aus unangenehmen Situationen zu entkommen. Zu diesen zählt oft auch ein Aufbiegen der Wirbelsäule. Damit sich das Tier überhaupt erst einmal wieder entspannen kann, wird in der Regel ein Schmerzmittel gegeben. Auch Entzündungshemmer sind zur initialen Behandlung oft sinnvoll. Mittels regelmäßiger Ultraschalluntersuchungen werden Sie hier oft schon deutliche Verbesserungen erkennen können.

Ist die Erkrankung schon weiter fortgeschritten, kann der Veterinär auch eine Mesotherapie empfehlen. Dabei werden über einen Zeitraum von ein bis zwei Wochen geringe Dosen entzündungshemmende, durchblutungsfördernde und schmerzlindernde Mittel mit einem lokalen Anästhetikum vermischt gespritzt. Das erfolgt nicht nur in der direkt betroffenen Region, sondern auch abwärts dieser. Der Sinn ist im Grunde der Gleiche: Die Muskeln sollen sich entspannen, um die weitere Therapie zu beginnen.

Chirurgischer Eingriff

In noch schlimmeren Fällen kann eine OP notwendig werden. Dabei wird der betroffene, sich überlappende Dornfortsatz abgeschliffen. Ein solcher Eingriff ist jedoch wirklich nur in den seltensten Fällen sinnvoll und wird nur empfohlen, wenn konventionelle Therapien fehlgeschlagen sind. Die chirurgische Behandlung ist dennoch meist erfolgreich und kann die Erkrankung behandeln.

Physikalische Therapie

Während die OP nur eine Notfalllösung ist und die Medikamente erst einmal symptomatisch ansetzen, braucht es in der Regel eine gute Physiotherapie zur Behandlung der Kissing Spines beim Pferd. Diese kann ganz unterschiedlich aussehen und sollte individuell an Ihr Tier angepasst werden. Elemente können sein:

  • Stoßwellen Therapie
  • Therapeutischer Ultraschall
  • Solarium
  • Massagen
  • Chiropraktik und Osteopathie

Entspannung im Solarium

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Bei einigen Pferden werden Kissing Spines zudem durch eine Huffehlstellung begünstigt. In dem Fall sollten die Hufe entsprechend beschlagen werden, um diese auszugleichen. Unterstützend können Sie zudem selbst Hand anlegen. Das bedeutet: Dehn- und Gymnastikübungen vom Boden aus. Der Hals sollte dabei tief nach unten gestreckt sein, damit der Rücken sich aufwölben kann.

Muskelaufbautraining und Reiten bei Kissing Spines

Wichtig ist es, nach der Diagnose Kissing Spines nichts zu überstürzen. Bringen Sie Ruhe mit, sind die Behandlungschancen gut und Sie können bald wieder in den Alltag zurückkehren. Bevor Sie wieder in den Sattel steigen, ist das A und O der Muskelaufbau. Am besten findet das an der Longe oder an der Hand statt und sollte die Losgelassenheit fördern.

Beginnen Sie am besten mit sachten Übungen. Zunächst steht im Fokus, dass Ihr Pferd sich entspannen kann und in sich ruht. Durch kleine, sanfte Vorwärts-Abwärtsbewegungen kann der Hals zusätzlich gedehnt werden und die Wirbelmuskulatur lockert sich. Übrigens: Oft fallen diese Abläufe in einem lockeren Galopp deutlich leichter.

Wichtig ist, dass Sie neben der Rückenmuskulatur auch die am Bauch stärken. Denn nur so wird Ihr Pferd später wieder das Reitergewicht tragen können. Sinnvoll sind dazu das Arbeiten mit Stangen und Cavaletti, das Trainieren der Seitengänge sowie Auf- und Ablaufen am Hang vorwärts und rückwärts. Ist Ihr Tier gelockert und schmerzfrei, können Sie dazu übergehen, diese Übungen aus dem Sattel auszuführen. Aber Achtung! Bringen Sie jede Menge Geduld mit und verlangen Sie nicht zu viel auf einmal.

Arbeiten mit Stangen und Cavaletti stärken die Rückenmuskulatur

Die Rückenmuskulatur wird bei der Stangenarbeit gefördert

Fütterung von Kissing Spines Pferden

Eine der wichtigsten Faktoren für ein gesundes Pferd ist hochwertiges Futter. Das gilt sowohl für das Heu, die Weide, als auch das Kraft- bzw. Ergänzungsfutter. Vor allem letzteres sollte aber auf die individuellen Bedürfnisse angepasst werden. Bei einem Kissing Spines Pferd ist oft ein gutes Mineralfutter nötig, welches die Gelassenheit fördert. Zusätze wie Lavendel und Hanföl können hier sinnvoll sein.

Befinden Sie sich schon in der Phase des Muskelaufbaus, sollten Sie ein entsprechendes Mineralfutter geben. Dieses enthält im besten Fall essenzielle Aminosäuren, welche die beanspruchten Fasern unterstützen und Krämpfen sowie Entzündungen vorbeugen. Sie suchen noch nach einer hochwertigen Variante? Dann schauen Sie sich doch einmal unser Zusatzfutter für die Muskulatur an!

Weiterführende Links
http://www.pferdeklinik-pegasus.at/?page_id=253
https://www.pferderevue.at/magazin/ausbildung/2016/05/kissing_spines_soreitensiepferdemitdieserdiagnoseschmerzfrei.html
https://www.st-georg.de/wissen/kissing-spines-das-problem-sitzt-in-der-wirbelsaeule/
https://www.pferde.de/magazin/reiten-trotz-kissing-spines-in-7-schritten-zurueck-in-den-sattel/

 

Ein Kommentar zu “Kissing Spines bei Pferden: Macht reiten krank?”

  1. Anita sagt:

    Guter Artikel. Mein Englisches VB hat KS Grad III. Er zeigte alle Symptome, aber mir wurde nicht zugehört. Da er ein Exgalopper ist, habe ich dann Hilfe in der Vollblutszene gesucht. TA mit VB Kenntnissen (selten) und eine VB Umgebung. Hier wurden wir gehört und behandelt. Muskelrelaxan und Schmerzmittel über 6 Wochen und dann leichtes antrainieren über Stangen und Cavaletti. Bestes Training ist Kutsche fahren, weil die Pferde dann aus der Brust arbeiten und den Rücken aufwölben und trainieren…